⭐️ Türchen 5 - Felicitas
⭐️ Türchen 5 - Felicitas ⭐️
Mitternacht.
Die Uhr draußen im Wohnzimmer schlägt gerade zum zwölften Mal in dieser Nacht.
Im Haus ist es still.
Alle schlafen...nein,nicht alle.
Denn im Inneren des Adventskalenders hört man leises Gebrummel, Geschimpfe und Gepolter.
Der ganze Kalender scheint ein Eigenleben entwickelt zu haben und wackelt verdächtig hin und her.
Zum Glück wird er von zwei starken Nägel gehalten, denn wenn er...wie üblich nur an einem Nägel aufgehängt wäre, würde er der schlafenden Penny wahrscheinlich direkt auf den Kopf fallen.
"Ja, vermaledei noch mal...ich glaub ich drehe hier gleich durch.
Was soll das hier...hallo...haaaaaallooooooo...aufwachen...auuuuuufstehen."
schreit es aus den Türchen mit der Nr. 4.
Es ist Baltazaar, der orientalische Mäuserich.
Irgendwie ist er beim letzen Abenteuer mit Penny und dem Eisbären Hans Kuno wohl in der Tür stecken geblieben.
Er rüttelt und schüttelt sich, doch sein nicht gerade kleines Hinterteil will einfach nicht durch die vermaledeite Tür passen.
Sollte diese Hohlbirne Penny es tatsächlich gewagt haben, die Tür etwas kleiner zu machen, denkt er sich .
Damit er in der Eiswelt bleiben musste, um sich die Ei...Ei...Füße abzufrieren ?!
Ja, das musste es sein, denn schließlich ist er ein Mäuserich von Welt.
Gewandt, durchaus sympathisch und liebreizend anzusehen.
Seine stattliche Figur und sein imposanter Schnurrbart ließen jede Mausejungfer vor Erquicken erstarren.
Daran konnte es also nicht liegen.
"Na, warte Du...Du...Du..." raunzt er.
"Wenn ich erst hier raus bin kannst Du was erleben.
Du wirst Dir noch wünschen, ich wäre eine einfache, dummliche Hausmaus."
Baltazaar nickt zustimmend, denn er hatte bereits den gesamten Racheplan komplett im Kopf.
Mäuserich oder Kind...es kann nur einen geben.
Seine Ohren leuchten gefährlich rot und sein linker Nagezahn erscheint irgendwie ein bisschen länger als sonst.
"Sag mal...geht das auch ein bisschen leiser da oben ?"
Eine leise, feine Stimme erklingt.
Fast klingen diese Worte wie eine Melodie.
"Nein, geht es nicht !" schreit Baltazaar wütend.
"Wer ist da , wer wagt es...mich, den größten und berühmtesten Mäuserich aus dem Orient in seinen Racheplänen zu stören?
Bis Du lebensmüde oder was ?"
Von weiter unten ist ein helles Kichern zu hören.
"Na, im Moment bist Du ja wohl eher die Maus ohne Hinterteil."
Baltazaar schäumt vor Wut.
Seine ganzen Haare stellen sich in Kampf-und Abwehrstellung auf.
Ploooopp...mit einem gewaltigen Schub flutscht er durch das Türchen direkt auf Penny's Nase.
Diese reißt erschrocken die Augen auf und denkt,sie träumt noch immer.
Da ist doch die unverschämte Maus wieder und hält ihr sein dickes Hinterteil vor die Nase.
"Ich kann immer noch Deine Gedanken lesen.
Ich bin nicht dick und zum letzten Mal ...ich bin ein Mäuserich...hast Du das endlich verstanden , Butterbirne ?"
Baltazaar dreht sich langsam um, schaut Penny in die Augen und grinst frech.
"Hast wohl gedacht, Du wärst mich los....häääää ?
Könntest mich im ewigen Eis lassen und ab jetzt einen auf lieb Mädchen machen, was ?
Ha...falsch gedacht...freu Dich...ich bin wieder daaaahaaaa !"
Penny verdreht die Augen.
Es war so schön ruhig in den letzten Stunden gewesen.
Kein motzender Mäuserich, keiner der ständig rumschreit oder sie grundlos ärgert.
Mama hatte ihr eine schöne "gute Nacht-Geschichte" vorgelesen und noch ein bisschen mit ihr gekuschelt, bevor Penny erschöpft eingeschlafen ist.
Tja...und nun sitzt diese dicke Maus mitten auf ihrem Gesicht und schwafelt schon wieder rum.
Hätte ihm nicht sein freches Mundwerk einfrieren können ?
Schnell denkt Penny an etwas anders, damit Baltazaar diesen Gedanken nicht aufschnappen kann.
Doch...zu spät.
Tänzelnd und mit rausgestreckter Zunge watschelt er auf seinen großen Füßen vor Penny hin und her.
Immerhin hat er mittlerweile die Güte besessen sich auf die Bettdecke zu begeben.
Penny verzieht das Gesicht, sie möchte schlafen.
"He, hier wird nicht geschlafen Schlafmütze !
Steh gefälligst auf, wenn ich mit Dir rede !" Baltazaar tippelt ungeduldig mit einem seiner Füße auf und ab.
Penny muss unwillkürlich grinsen.
Ob der Mäuserich eigentlich weiß, dass dabei sein beträchtler Bauch hin und her wackelt.
"Was gibt es da zu grinsen, hä ?" ungeduldig verzieht dieser das Gesicht.
Das Mädchen zuckt die Schultern, seufzt und dreht sich einfach um, um weiter zu schlafen.
Fassungslos starrt Baltazaar sie an.
Er kann gar nicht glauben, was er da sieht.
Wo gibts denn sowas ?
Da hat dieses Mädchen doch allen Ernstes den Mut sich ihm zu widersetzen.
Das kann er so nicht akzeptieren, nein...er kann und darf das nicht dulden, nicht durchgehen lassen.
Entschlossen stampft er auf, zieht seine Schnurrhaare zurecht und ist bereit für sein Recht zu kämpfen.
Doch kurz bevor er die schlafende Penny erreicht,stellt sich ihm eine zarte, schimmernde Gestalt in den Weg.
"Wirst Du wohl das Mädchen schlafen lassen, Du ungehobelter Klotz."
"Aus dem Weg...Platz da...niemand stellt sich mir, Baltazaar in den Weg."
Die Gestalt lächelt sanft und gütig.
"Mein Name, lieber Baltazaar ist Felicitas.
Ich bin ein Engel und komme aus dem fünften Türchen des Adventskalenders , um mit Penny eine kleine Reise zu machen."
Mit diesen Worten bewegt sie anmutig ihre fast durchscheinenden Flügel, fliegt zu Penny und flüstert ihr leise etwas ins Ohr.
Wuuuuuusch...im nächsten Augenblick sind Penny und Felicitas verschwunden und nur Baltazaar bleibt allein zurück.
"He, was soll das ? Wo seid ihr, kommt sofort zurück...." ruft er und klettert flink zum vierten Türchen herauf.
Da...die Schokolade steckt zum Glück noch drin.
Schnell stopft er sie sich in den Mund.
Wuuuuusch...
Etwas unsanft plumpst er mitten auf den Marktplatz der geheimnisvollen Stadt.
Weit und breit ist niemand zu sehen.
Keine Spur von Penny oder diesem Engel.
Missmutig setzt er sich in Bewegung, um die Beiden zu suchen.
Zur gleichen Zeit, etwas weiter weg vom verlassenen Marktplatz schwebt ein kleiner Engel durch die Nacht.
Es ist Felicitas.
An ihrer Hand hält sie Penny, die in ihrem Nachthemd und den offenen,langen Haaren selbst fast wie ein kleines Engelchen aussieht.
"Wohin fliegen wir ?"
Felicitas lächelt sanft.
"Warte es ab...." antwortet sie liebevoll.
Immer weiter schweben sie durch die kalte, dunkle Nacht.
Vorbei an Häusern, deren Fenster bereits dunkel sind , bis hin zum Stadtende.
Dort steht ein kleines, verwildertes Häuschen mit einem winzigen Garten, in dem ein beleuchteter Weihnachtsmann mit einem Rentier steht.
Penny wundert sich, sagt aber nichts.
Anderswo...nicht weit von dem kleinen Häuschen läuft eine kleine, beleibte Maus durch die leeren Straßen und Gassen.
"Das darf doch wohl nicht wahr sein...." japst sie.
"Vielleicht könnte man mal daran denken, das ich weder Flügel habe noch das ich von Ort zu Ort fliegen kann...."
Felicitas betritt mit Penny das kleine Haus und steht sogleich mitten in einer großen Wohnküche mit einem offenen Kamin.
Vor dem Kamin sitzt eine alte Frau mit grauen Haaren und strickt.
"Hallo Glückskind..."beginnt sie zu sprechen.
"Ich habe bereits auf Dich gewartet.
Komm bitte her zu mir, setzt Dich zu mir und erzähle mir von Weihnachten."
Penny zögert einen kleinen Moment, setzt sich aber dann doch auf das große Kissen vor dem Kamin und beginnt zu erzählen.
"Weihnachten.
Man sagt , dass ist die Zeit der Liebe.
Viele Menschen werden in dieser Zeit sanftmütiger und freundlicher.
Zu sich selber und auch zu ihren Mitmenschen.
Sie lächeln einander zu und reden auch mal miteinander.
Kinder besuchen wieder ihre Eltern und die Kinder versuchen in der Weihnachtszeit artig zu sein,
damit Heiligabend der Weihnachtsmann mit dem Christkind kommen kann.
Man nimmt sich Zeit für sich und für die Menschen, die man liebt und im Herzen trägt."
Käthe hat aufmerksam zugehört.
Tränen laufen an ihren alten, faltigen Wangen herab.
Fragend schaut sie in die linke Zimmerecke, dort...wo ein zweiter Schaukelstuhl steht.
Ganz, ganz langsam...Stück für Stück wird dort ein alter Mann sichtbar.
Erst schimmert er nur, dann leuchtet er und dann...sitzt plötzlich Theodor im Schaukelstuhl.
Mit einem Lächeln schaut Penny dankbar an.
Dann steht er langsam auf, schlurft auf Käthe zu und nimmt ihre Hand.
Zart haucht er einen leichten Kuss auf Käthes Stirn.
Felicitas strahlt und schaut Penny an.
"Du hast es geschafft, Glückskind.
Du hast den Geist der Weihnacht wieder in dieses Haus zurückgebracht und somit Theodor wieder sichtbar gemacht.
Komm, wir müssen wieder gehen.
Du musst weiter schlafen, mein Kind."
Draußen vor dem Fenster steht Baltazaar und es sieht für einen kleinen Moment so aus, als würde eine kleine, einzelne Träne über seine Wange laufen.
- Ende des 5. Kapitels -
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